Donnerstag, 7. März 2024

Heinrich Seuse (1295-1366) - Gott als Nicht(s) und ewige Weisheit - (aktualisiert)

Heinrich Seuse (links unten) - aus Heinrich Suso: Das Buch, genannt Seuse,
Augsburg: Anton Sorg 1482.
Quelle: Joachim Schäfer - www.heiligenlexikon.de
= Ökumenisches Heiligenlexikon
Der Domininkaner Heinrich Seuse (Suso) gehört zu den Schülern Meister Eckharts. Er wirkte im südwestdeutschen Raum und in der Schweiz.  Er ist durch seine Predigten und seelsorgerliche Arbeit berühmt geworden. Meister Eckhart verteidigte ihn gegenüber den Missdeutungen seiner Schrift „Büchlein von der Wahrheit“. Er gehört zu den ersten Deutschen, die eine Selbstbiografie (in deutscher Sprache) schrieben. Diese "Vita" („Das Leben des seligen Heinrich Seuse“) ist in die Zusammenfassung seiner Werke, das "Exemplar" eingebunden:
"Der Titel bezeichnet zugleich die Gesamtheit seiner Texte, deren Protagonisten und schließlich auch Christus, den Logos, in dem die Exemplare – die Urbilder – aller Dinge enthalten sind, die als Vorbilder nachgeahmt werden sollen. Die Illustrationen des Werks können dabei sowohl als Erläuterung wie auch als Darstellung dieses eng verknüpften Ideenkomplexes gesehen werden: Die Beziehung zwischen Vorbild und Nachahmung wird dadurch konzeptionell über Text und Bild hinaus auch auf Personen ausgedehnt, die diese im Zusammenhang der curia monialium [= priesterliche Seelsorge an Nonnen] schaffen und benutzen."
(Bayerische Akademie der Wissenschaften, KDiH, Band 4/1, bearbeitet von Jeffrey E. Hamburger
 
Gott als das Nichts der Einheit
  Diese lautere Einheit
 ist eine dunkle Stille,
   eine ruhevolle Geruhsamkeit,
die niemand verstehen 
kann als der,
in den die Einheit mit ihrem
eigenen Sein leuchtet
  
(Kursivschreibung und Heraushebung von mir). 
 Aus der stillen Ruhe leuchtet rechte Freiheit ohne jegliches böse Denken und Handeln, denn solche Ruhe gebiert sich selbst aus der Entäußerung (des eigenen Selbst); da strahlt verborgene Wahrheit aus ohne alle Falschheit, und diese erzeugt sich in der Aufdeckung der verhüllten Lauterkeit ... Und so leuchten alle Dinge in dem (göttlichen) Sein in darin seiender Stille nach der Einfachheit dieses Seins.
Dieses selbe über allem Sein stehende Wo, von dem gesprochen wurde und in dem ein erprobter Diener mit dem ewigen Sohne die Wohnstätte teilen soll, kann man das seinshafte namenlose Nichts nennen. Und da gelangt der (menschliche) Geist zum Nichts der Einheit. Diese Einheit heißt darum ein Nichts, weil der Menschengeist keinen der Endlichkeit angehörigen Ausdruck finden kann, um zu sagen, was es sei. Der Geist empfindet nur, dass er erhalten wird von einem, der anders ist als er selbst. Darum ist das, was ihn hält, in bestimmterer Weise ein Etwas als ein Nichts; es ist aber dem Menschengeist ein Nichts nach der Art des Seins ...  (Deutsche mystische Schriften, S. 192)
Allen Menschen, die in Gott wieder zurückgeführt werden sollen, ihren und aller Dinge ersten Beginn zu erkennen, denn danach bestimmt sich auch ihr letztes Ziel. Und darum soll man sich vorhalten, dass alle, die welche je von der Wahrheit sprachen, darin übereingekommen, es gebe irgendwie ein Erstes und Einfachstes und vor ihm sei nichts. Nun hat Dionysius* dieses unergründliche Wesen in seiner Lauterkeit gesehen und sagt (und mit ihm andere Lehrmeister), dass das Einfache, von dem da gesprochen wird, mit keinem Namen angemessen bezeichnet werden könne; denn wie wir in der Logik hören, soll der Name Natur und Begriff des genannten Dinges ausdrücken, Nun ist klar, dass des vorgenannten einfachen Wesens Natur endlos, unermesslich und aller geschöpflichen Vernunft unbegreiflich ist. Darum sind alle gelehrten Geistlichen darin einig, dass dieses Wesen ohne genauere Bestimmung auch ein Wesen ohne Namen ist. Und darum sagt Dionysius in dem Buch von den göttlichen Namen, dass Gott ein Nicht-Sein oder ein Nichts sei, und das ist zu verstehen nach all dem Wesen und Sein, das wir ihm nach geschöpflicher Weise beilegen. Denn was man von ihm in solcher Weise aussagt, ist alles in gewisser Wese falsch, und das Gegenteil ist richtig.**  Und so gesehen, möchte man ihn ein ewiges Nichts nennen; aber wenn man von einem Ding reden soll, wie unübertrefflich oder überaus wichtig es ist, so muss man ihm wohl schon Namen beilegen.***
Das Wesen dieser stillen Einfachheit ist ihr Leben, und ihr Leben ist ihr Wesen. es ist eine lebendige, wesenhafte, in sich selbst seiende Vernunft, die in sich selbst versteht, in sich selbst ist und lebt und die dasselbe ist. 
Klarer kann ich mich nicht ausdrücken, und dies nenne ich die ewig ungeschaffene Wahrheit, denn alle Dinge sind in ihr Neuheit, in ihrem Anfang und ihrem ewigen Beginn.
(Deutsche mystische Schriften, aaO S. 333f)
* Dionysius Areopagita (angeblich erster Bischof von Athen, der sich nach einem Schüler des Apostels Paulus benannte. 
   Er gehört zu den christlichen Neuplatonikern, die für die Geschichte der Mystik große Bedeutung gewannen.
   Unter seinem Namen schrieb ein Unbekannter um 500 eine Reihe  von Schriften, auf die Seuse hier Bezug nimmt.   
    Konkret geht es um: Von den heiligen Namen (I,4-6 und VII,3).
** Seuse bezieht sich hier auf Meister Eckhart (s.o.).
*** Dies geschieht bei Seuse mit Hilfe der sich personal äußernden Trinität.
    
Ulmer Gedenkbild für Heinrich Seuse
- Kolorierter Holzschnitt, Ulm um 1470 - 
(Buchcover)
Heinrich Seuse: Deutsche mystische Schriften. 
Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen und herausgegeben von Georg Hofmann (). 
      Mit einer Hinführung von Emmanuel Jungclaussen. Düsseldorf: Patmos 1986, S. 192.333
Inhalt:
1. Buch: Das Leben des seligen Heinrich Seuse ("Vita")
2. Buch: Das Büchlein der ewigen Weisheit
3. Buch: Büchlein der Wahrheit
4. Buch: Briefbüchlein

--- Vgl. ferner:
Alois M. Haas: Kunst rechter Gelassenheit. 
    Themen und Schwerpunkte von
Heinrich Seuses Mystik
      Bern u.a.: P. Lang 1996, 2. Aufl., 271 S. + Abb.
Vgl.  auch: 
Reinhard Kirste (Hg.):  Auf dem Weg zur Achtsamkeit.
Iserlohner Con-Texte Nr. 15 (ICT 15)
Iserlohn 1999, Online-Ausgabe 2009, S. 76-77

Silvia Bara Bancel, OP (Madrid):
Heinrich Seuses mystische Anthropologie.
Heinrich Seuse Jahrbuch 1. Berlin: Lit 2008, S. 37-70
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