Freitag, 3. Juni 2016

Engagierter Brückenbauer des interreligiösen Dialogs - Obiora Ike (Nigeria)

Die jährlichen Gastvorlesungen im Rahmen von „Theologie interkulturell“ an der Johann-Wolfgang-von Goethe Universität Frankfurt/M. ermöglichen Studierenden, Dozenten und Interessierten Einblicke in andere Kulturen und religiöse Traditionen zu gewinnen
Obiora Ike, nigerianischer Priester und Generalvikar des Bistums Enugu hielt im Wintersemester 1997/1998 eine Gastvorlesung im Rahmen von „Theologie interkulturell“: Afrikanische Kulturen und christlicher Glaube in Nigeria – Eine Gesellschaft im Übergang.
In Mai 2006 fand unser persönliches Treffen mit Obiora Ike an der Universität Frankfurt/Main statt, und zwar anlässlich seines Deutschlandbesuchs und dem festlichen Symposium: 20 Jahre „Theologie Interkulturell“.
Obiora Ikes Art und Weise der Begegnungen mit anderen Kulturen und Religionen beeindruckten meine Frau und mich sehr. So kam es dazu, dass wir mit dem Kuratorium unserer Stiftung „Omnis Religio“ beschlossen, ihm den Förderpreis unserer Stiftung für sein interreligiöses Engagement im religiös krisenreichen Nigeria zukommen zu lassen. Uns erschien es notwendig, ihn in seiner Arbeit der Aussöhnung zwischen Muslimen und Christen finanziell zu unterstützen.
(vgl.: http://religiositaet.blogspot.de/2010/12/stiftung-omnis-religio-merkzeichen.html)
Obiora Ike bemüht sich ja nicht nur, Projekte interreligiöser Begegnung zu initiieren, er ist auch vor Ort, um die Versöhnung zwischen Christen und Muslimen voranzubringen. Eine Anekdote verdeutlicht dies: Ausgerechnet an einem Karfreitag besuchte er eine Moschee, um mit Muslimen in Gespräch, Meditation und Gebet zusammen zu sein.
Weil Obiora Ike in dieser Weise sich für den interreligiösen Frieden in Westafrika einsetzt, hat dies auch Folgen für die Bildung von jungen Menschen und Erwachsenen, aber ebenso für die Sozialarbeit in einem Land, in dem Armut noch immer an der Tagesordnung ist.
Seine unermüdliche Arbeit der interreligiösen Bildung und Verständigung ist umso wichtiger, als die Spannungen in Nigeria – gerade im islamisch geprägten Norden des Landes – zugenommen haben. Das hängt mit der die Einführung der Scharia und den Auswirkungen des Irak-Krieges sowie den globalen Auswirkungen des sog. Islamischen Staats zusammen. So haben auch in Westafrika marodierenden Terrormilizen, besonders Boko Haram, bedenklich zugenommen.
Das 2007 herausgekommene Buch von Obiora Ike bestätigt bis zu den alltäglichen Begebenheiten dieses dialogische Handeln unter Bedingen ethnischer und religiöser Konflikte. Der Titel heißt nicht umsonst: Wende dein Gesicht der Sonne zu. Dieses Motto erinnert daran, dass derjenige, der der Sonne entgegengeht, seine Schatten hinter sich lässt  
Rezension hier: https://drive.google.com/file/d/0B35EiO88xc00dlQ5ZlRMb1UzNzA/view
Das Buch insgesamt zeigt die Zuneigung des freundlichen Priesters zu Deutschland. Er sieht unser Land mit den Augen eines fröhlichen Menschen. Er scheint in vielem mit den rheinischen Frohnaturen verwandt zu sein, heißt es doch in Köln: Et kütt, wie et kütt (= es kommt, wie es kommt). Ebenso spricht er auch realistisch die Sonnen- und Schattenseiten seines Heimatlandes an.
Wer angesichts der teilweise dramatischen Erlebnisse von „Obi“ (wie ihn seine deutschen Freunde nennen) nicht angesteckt wird von diesem afrikanischen Lebensmut, übersieht die Energien, die aus diesem Kontinent hervorquellen. Afrika hat viele Seiten, sehr dunkle und sehr helle, aber alle Ereignisse und Entwicklungen können auch als Zeichen gedeutet werden – Deutungen auf Gott hin. Er als der Schöpfer allen Lebens mahnt eine Bestimmung des Menschen an, die von Respekt, Liebe und Barmherzigkeit geprägt ist. Es ist eine Humanität, für die letztlich auch die in Nigeria handelnden Religionen, d.h. konkret die Gläubigen aus Christentum und Islam, verantwortlich sind. Das ist keineswegs einfach! Obiora Ike versucht dies mit seinem persönlichen Lebensstil und als Verantwortlicher seiner Kirche Tag für Tag glaubwürdig umzusetzen.
Unsere Begegnung mit ihm öffnete uns gewissermaßen ein neues Fenster nach Afrika, durch das wir seine Erfahrungen „sichten“ konnten. Seine dort in Afrika und hier in Deutschland erlebten Geschichten verweisen zugleich auf einen größeren Zusammenhang. Es geht dem Priester um den Alltag und um einen jeden. Das heißt: körperliche und spirituelle Gesundheit finden, Zeit zum Reflektieren und zum Beten finden, Zeit, um Freude mit Kindern und mit der Familie zu erleben. Es geht aber immer wieder auch darum, die Grenzen des eigenen Stammes, der eigenen Nation und der eigenen Religion zu überwinden. Angesichts der in seinem Lande oft beunruhigenden, teilweise religiös motivierten Gewalt ist Obiora Ike auch als Theologe besonders herausgefordert. Er erzählt überzeugend bei seinen Deutschlandbesuchen, was er versucht, in seiner nigerianischen Diözese versöhnend zu praktizieren.
Man darf nicht vergessen, dass sich islamische und christliche Gruppen in Nigeria oft genug ausgesprochen restriktiv und wenig menschenfreundlich gegenüber anders denkenden und anders Glaubenden verhalten. Gerade weil bestimmte, verengende Auslegungen der Scharia und die englische Gesetzgebung des Landes oft miteinander konkurrieren, ist es wichtig, die religiösen Werte verantwortungsvolles Menschsein zu betonen. Das gilt für das Christentum wie den Islam in gleicher Weise. Angesichts von Bedrohungen antwortet der Christ Obiora Ike darum nicht mit gegengewaltigen Worten  etwa unter Berufung auf das Evangelium. Die frohe Botschaft Jesu Christi lässt ihn in unerschütterlichem Gottvertrauen beim Brechen der Kolanuss beten:
„Man sagt, ein Unschuldiger, der sich
keine großen und kleinen Sünden
hat zuschulden kommen lassen,
kann die Gewässer überqueren auf einem Stück Kalebasse.
Und dass es ihre gute Zunge ist,
mit der die Schnecke sich über Dornen bewegt ...
Lasse jedes Unkraut, das uns begegnet,
wenn wir aufbrechen,
uns auf dem Heimweg berühren.
Es ist kein böses Unkraut.
Wenn wir hinten sind, lasse das Böse vorne,
wenn wir vorne sind, lasse das Böse hinten sein.“
(S. 266f und 268)
Reinhard Kirste
Persönlicher Beitrag zur "Festschrift für Obiora Ike: "Telling Stories"

 Relpäd/Obiora Ike, 19.02.2016



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