Donnerstag, 13. Oktober 2016

Abdoldjavad Falaturi: Die Islamische Wissenschaftliche Akademie zu Köln (IWA)

Entwicklung
Die Gründung der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie (IWA) geht im Grunde auf die seit 1955 gewonnenen Dialogerfahrungen mit kompetenten Vertretern der christlichen Religion und auch auf die persönliche Überzeugung zurück, die ich seit der genannten Zeit durch das Studium wie auch durch Forschung und Lehre der abendländischen Geisteswissenschaften gesammelt habe. Die Vorträge, Gespräche und Zusammenkünfte in den universitären wie auch kirchlichen Einrichtungen erweckten in mir stets den Wunsch nach einer entsprechenden islamischen Einrichtung mit der Zielsetzung, den Dialog zwischen Abendland und dem islamischen Morgenland nicht nur auf die religiöse Ebene, sondern ganz allgemein auf die kulturelle, geistesgeschichtliche Ebene auszudehnen.
Der eigentliche Entschluss dazu reifte in den 70er Jahren während der Dialog-Tagungen im Hause des Herder-Verlages in Freiburg. Die erfolgreichen, hochqualifizierten, sachlichen, emotionsfreien Diskussionen eröffneten eine hoffnungsversprechende Perspektive für die Möglichkeit einer Intensivierung und Erweiterung des Dialoges auf all die Phänomene, die das christliche Abendland und den islamischen Orient miteinander verbinden oder trennen, auf alle Fälle miteinander in Berührung bringen. Konkretisiert wurde dieser Entschluss seit 1976/77, worauf dann 1978 die Islamische Wissenschaftliche Akademie gegründet wurde.
Als wissenschaftliche Einrichtung unterstützt die IWA seit 1978 die Lehre und Forschung an der Universität zu Köln. Dabei kommt dem Islam als dem entscheidenden geschichts- und kulturtragenden Element zentrale Bedeutung zu. Deshalb gehört zu den Zielen der IWA das Bemühen um eine sachliche, korrekte Darstellung des Islam auf der Grundlage des Qur'an und der authentischen Sunna in der Öffentlichkeit, unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes des christlichen Abendlandes. Die IWA respektiert alle islamischen Rechtsschulen, sofern sie sich auf Qur'an und Sunna gründen, als unterschiedliche Erscheinungsformen des Islam.
Die Aufgeschlossenheit gegenüber Vertretern aller Kulturen, Religionen und Denkrichtungen bestimmt die Grundhaltung der Akademie.

Zielsetzung
Die Islamische Wissenschaftliche Akademie hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf kultureller und geisteswissenschaftlicher Ebene den Dialog zwischen dem christlichen Abendland und dem islamischen Orient zu fördern, um dazu beizutragen, die in beiden Kulturkreisen bestehenden Vorurteile abzubauen und den Weg für eine wechselseitige Einsicht in das Selbstverständnis des anderen zu ebnen.

Die Notwendigkeit einer Analyse der interkulturellen Beziehungen zwischen Orient und Okzident sowie das Bemühen um ein besseres wechselseitiges Verstehen, um eine vorurteilsfreie Einsicht in die kulturgebundenen Denkweisen, Normen und Werte der jeweiligen Gesellschaft stellt sich heute mit größerer Dringlichkeit als je zuvor. Die Notwendigkeit globaler Zusammenarbeit und Verantwortung fordert die Respektierung unterschiedlicher Kulturhorizonte und den wechselseitigen, gleichberechtigten Austausch von Werten und Normen, um nicht in einer zerstörerischen Konfrontation zu enden.

Die Auseinandersetzung mit dieser Problematik ist Aufgabe des Dialogs zwischen dem christlichen Abendland und dem islamischen Orient. In diesem Sinne will die IWA ihren Beitrag dazu leisten, im Dialog die aus den gegebenen Verhältnissen erwachsenden Schwierigkeiten aufzuarbeiten und zu einem kooperativen Miteinander der beiden Kulturkreise beizutragen. Die Religion bietet sich dabei als zentraler Bezugspunkt für die systematische Verwirklichung dieser Aufgabe an. Judentum, Christentum, Islam und andere Religionen sind nicht nur geistige Modelle, sondern kulturtragende Faktoren. Als solche stehen sie und alle Ideologien und Weltanschauungen im Mittelpunkt des Interesses der IWA.

Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass die IWA ihre Tätigkeit nicht als eine abstrakte Forderung versteht, sondern vielmehr darauf ausrichtet, einen Bezug zur Praxis herzustellen, um so in erster Linie den Menschen zu dienen. Dem trägt die IWA beispielsweise in dem großen Forschungsprojekt: Die Analyse der europäischen Schulbücher zum Thema Islam Rechnung. Dieses Forschungsvorhaben beschränkt sich nicht auf die Analyse und Feststellung von Fakten, sondern setzt sich die Aufgabe, durch systematische Aufarbeitung Orientierungshilfen für Schulbuchautoren und -Verlage, Lehrer und Bildungspolitiker zu erarbeiten, um so die Bedingungen für ein verständnisvolleres Miteinander besonders der jungen Generationen in einem multikulturellen Europa verbessern zu helfen.
Eine selbstverständliche Voraussetzung für eine so verstandene internationale interkulturelle Verantwortung ist das Bemühen, jenseits von innerislamischen Meinungsverschiedenheiten das Verbindende, Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Der Koran, die wissenschaftlich abgesicherte Sunna und allgemeingültige Errungenschaften islamischer Schulen sind die Basis, dieses Ziel zu realisieren. Die aktive Teilnahme von Muslimen verschiedener Nationalitäten und unterschiedlicher Rechtsschulen an dem Schulbuchprojekt in verschiedenen Ländern Europas hat die Richtigkeit dieser Haltung als einzig gangbaren Weg bewiesen. Die vielfältige Zustimmung verschiedener theologischer, islamischer Zentren, vor allem der al-Azhar Universität in Kairo, hat diese Gewissheit bestärkt und die Arbeit der IWA beflügelt.

Arbeitsprojekte in der IWA
  • Staat und Gesellschaft in den islamischen Ländern heute. 
    Zielsetzung: Durch die exemplarische Analyse von Staat und Gesellschaft in verschiedenen islamischen Ländern einen Beitrag zur internationalen Verständigung leisten.
  • Die Stellung der Frau innerhalb der Gemeinschaft der großen Religionen
  • Zielsetzung: Ausgehend von der Mannigfaltigkeit der Gesellschaftsformen eine Analyse der Stellung der Frau innerhalb der großen Religionen und Kulturen zu erarbeiten.
  • Koran und Bibel. Zielsetzung: Erforschung von Verbindungen zwischen Koran und anderen Heiligen Schriften mit besonderer Berücksichtigung des jeweiligen Selbstverständnisses.
  • Religionen im Unterricht: Islam, Christentum, JudentumZielsetzung: Erarbeitung von Unterrichtshilfen und Informationen zu den Kernpunkten des jeweiligen Glaubensverständnisses unter Berücksichtigung der jeweils anderen Religionen.
  • Die Islamische Welt in Geschichte und GegenwartZielsetzung: Analyse der Wechselbeziehungen der christlichen und islamischen Begegnungen in der Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der immanenten Gesetzmäßigkeiten der islamischen Geschichte.
  • Übersetzung der Kommentierung wichtiger Schriften bedeutender islamischer GelehrterZielsetzung: Förderung des wechselseitigen Verständnisses durch Zurverfügungstellung von bedeutenden Originaltexten.
  • International Research Project: Islam in Textbooks of European CountriesZielsetzung: Das europaweite Projekt beabsichtigt, analog zur abgeschlossenen Schulbuchanalyse in Deutschland, einen Beitrag zur Korrektur von Vorurteilen und Missverständnissen bezüglich des Islam und zum gegenseitigen Verstehen in einer multikulturellen Gemeinschaft in Europa zu leisten. Bestehende Sektionen: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz.


Veröffentlichungen in der IWA (Auswahl)
Die meisten sind Titel in der Interreligiösen Bibliothek gesammelt – Suche mit dem Stichwort: Falaturi
  • Asad, Muhammad: Vom Geist des Islam
  •  Falaturi, Abdoljavad: Der Islam im Dialog
  • Najafi, Sayyid Muhammad Bagher: Din Namehaye Iran
  • Najafi, S.M.B.: Iranische Kunstschätze in Ägypten
  • Ehlers, Eckart u.a.: Der islamische Orient
  • IWA (Hg.): Islam in Religious Education Textbooks in Europe
  • IWA (Hg.): Muslim Thoughts for Teachers and Textbooks Authors
  • IWA (Hg.): Wir glauben an den einen Gott – Muslime in Deutschland 
  • In Zusammenarbeit mit der deutschen Welle erschien: Der Islam in den Medien


Im Rahmen des Forschungsprojekts: Der Islam in den Schulbüchern der Bundesrepublik Deutschland sind unter Federführung der IWA in der Schriftenreihe des Georg-Eckert-Institutes (Verlag Diesterweg) eine Vielzahl von Bänden erschienen, u.a.
  •        Tworuschka, Monika: Analyse der evangelischen Religionsbücher zum Thema Islam
  •         Vöcking, Hans u.a.: Analyse der katholischen Religionsbücher zum Thema Islam
  •         Fischer, Gerhard: Analyse der Geographiebücher zum Thema Islam
  •         Schultze, Herbert: Analyse der Richtlinien und Lehrpläne
                                                                               der Bundesländer zum Thema Islam
  •         Koschinski, Michael: Analyse der audiovisuellen Medien zum Thema Islam
  •         Braun, Klaus: Register und Literatur zum Gesamtprojekt (sechs Bände)


Zuerst erschienen in Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.): Engel – Elemente – Energien. Religionen im Gespräch, Bd. 2 (RIG 2): Balve: Zimmermann 1992, S. 498–501


RIG2-Falaturi-Dialog, überarbeitet, 13.10.2016  

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