Donnerstag, 10. November 2016

Parzival oder die Suche nach den Heiligen Gral

Der Zweikampf zwischen Parzival (r.)
und Feirefiz,
dem Halbbruder Parzivals.

Cod. Pal. germ.
Nr. 339, XV. Buch, Blatt 540v.
Illustrierte Handschrift aus der
 Werkstatt von 
Diebold Lauber,
um 1443–1446:
Der Illustrator zeigt Feirefiz
als "Mohren" mit Bart,
Turban und einer exotischen Rüstung,
aber ohne die
namensgebende "Sprenkelung."
(Wikipedia)
Der in Verse gesetzte Roman Parzival von Wolfram von Eschenbach ist ist ein klassisches Beispiel mittelalterlich-höfischer Ritter- und Troubadour-Literatur.
Das Werk entstand in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts und umfasst etwa 25.000 paarweise gereimte Verse.

Mit kunstvoll und nicht immer leicht nachzuvollziehenden Handlungssträngen werden hauptsächlich die Abenteuer zweier Ritter erzählt: Der Titelheld Parzival und und Gawan aus der vielfach variierten Geschichte: "Tafelrunde des Königs Artus" (SPIEGEL Online, 29.07.2014). 
Der Artus-Erzählfaden ist quasi eine Etappe auf dem Weg zum Heiligen Gral.

Schließlich ist Parzival auch durch die Oper Parsifal von Richard Wagner berühmt geworden (Uraufführung 1882). Sie kommt in vielfachen Varianten immer wieder auf die Opernbühnen.
Vgl. z.B. die Neuinszenierung 2004 unter der Regie von
Christoph Schlingensief in Bayreuth
 
(Die ZEIT online, 29.07.2004).


Perceval / Parsifal, Parzival
Eine eigenständige Nacherzählung
im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund

Verfasst von: Miriam Tenhaven, Steffi Reinke


Die Geschichte spielt im Mittelalter am Hofe des Königs Arthur. Perceval wird in der Waldeinsamkeit von seiner Mutter aufgezogen, was ihn zu einem sehr naiven Mann hat heranwachsen lassen. Als er in die Stadt hinausgeht, ist er überfordert und versteht die Gemeinschaft und das Ideal der Ritterlichkeit nicht. Er begegnet einem Ritter und hält ihn für einen Engel, woraufhin Perceval beschließt, auch ein Ritter zu werden (Held/Idol). Er erschlägt den „Roten Ritter“, übernimmt dessen Rüstung und zieht in der Welt umher. Wie alle Ritter will er sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral begeben. Er wird sogar auf die Gralsburg eingeladen, jedoch hat er absolut keine Ahnung vom Ritterdasein und deren tugendhafte Mentalität. Der Gralskönig ist sehr krank und als an diesem ein Gegenstand in einer ehrwürdigen Prozession vorbeigetragen wird, verpasst Perceval in diesem entscheidenden Moment die entscheidende Frage zu stellen (nach dem Befinden des Königs zu fragen). Perceval muss das Schloss daraufhin verlassen und begegnet im Wald einer Vision eines Lichterbaums. Dieses Bild erinnert stark an den brennenden Dornenbusch in dem sich Gott Moses offenbart. Aber Perceval bekommt eine zweite Chance auf der Gralsburg. Erneut speist er mit dem kranken König und den Hofleuten, diesmal werden in einer Prozession der Gral, eine blutige Lanze und ein zerbrochenes Schwert an ihm vorbei geführt und wieder verpasst Perceval seine Chance, eine Frage zu stellen. Er übernachtet im Schloss, doch als er am nächsten Morgen aufwacht ist das gesamte Schloss leer. Die Situation und Vorkommnisse sind ihm zutiefst unheimlich und er verlässt das Schloss schnell über die Zugbrücke.
     Was verbirgt sich hinter dieser Geschichte in Bezug auf Wahrheit und Erlösung? Percivals weg zur Gralsburg und zu seinem Ziel, dem heiligen Gral, scheint wie ein Labyrinth zu sein, er unternimmt einen langen, verworrenen Weg und just in dem Moment, in dem er denkt, er hätte sein Ziel erreicht, muss er doch immer wieder die Burg verlassen. Die drei Gegenstände enthalten eine tiefe Symbolik. Schon weil sie in einer ehrwürdigen Prozession in den Raum getragen werden, umhüllt sie etwas Geheimnisvolles und Hoheitsvolles. Die blutige Lanze steht für die Lanze des Soldaten, der Jesus Christus in die Seite stach. Vom Gral sagt man, dass dieser zum letzten Abendmahl gehört und das Blut auffing, das aus Jesu Seite austrat. Das zerbrochene Schwert trägt die Symbolik des Friedens, das Ende des Kampfes. Alle diese Symbole sind Symbole der Transformation. Der Mensch muss aufs Tiefste in sich gehen, um zu überlegen, welche Bedeutung diesen Symbolen zukommen könnte – aber man scheint nicht dahinter zukommen. In diesem Prozess des In-Sich-Gehens und der Gesinnung erfährt der Mensch eine Identitätsentwicklung – eben eine Transformation. Das ICH eines Menschen ist in der Zeit und sterblich, das SELBST aber ist in einer gewissen Art Ewigkeit, Raumlosigkeit und Unsterblichkeit (Nirvana, Himmel, Paradies). Beide Dinge sind ganz und gar nicht so gegensätzlich wie es uns zuerst erscheinen mag. Sie sind doch miteinander verbunden, indem sich das Ewige immer irgendwie in das Zeitliche hineindrängt. Ebenso verhält es sich mit Wahrheit und Erlösung, die beide auf das Leben abzielen, welches jedoch mehr ist als das Leben zwischen Geburt und Tod. Die Gralsburg ist für Perceval die erste Begegnung mit der anderen Welt bzw. dem anderen Leben und dem SELBST – es ist seine erste Begegnung mit der Selbstfindung. Die Zugbrücke allerdings, zeigt beim zweiten Verlassen des Schlosses den Weg von der anderen Welt zurück in die „normale“ Welt – Perceval ist von der anderen Welt wieder ausgeschlossen, nachdem die Zugbrücke hochgegangen ist.
Was sagt uns das? Begegnungen mit Menschen reißen uns in eine andere Wirklichkeit, zum Beispiel Begegnungen von Religionen. Der Himmel (die andere Welt) ist nicht jenseits, sondern eigentlich ganz nahe unter uns – die Ewigkeit schiebt sich immer in das Zeitliche hinein. Das bedeutet Wahrheit, Erlösung und wahres Leben stehen eng bei einander.

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